Datensparsamkeit - Ein Relikt vergangener Tage?

Der NSA-Skandal verursachte einen kurzen Aufschrei der Empörung, der nach wenigen Monaten weitestgehend verhallte. Auf den ersten Blick erscheint diese Entwicklung befremdlich, doch Abhörskandale sind nur die Spitze des Eisberges. Wer die Hintergründe der Gleichgültigkeit verstehen möchte, mit der breite Teile der Bevölkerung dem Datenschutz begegnen, muss tiefschürfende Analysen durchführen.

Der Grundsatz der Datensparsamkeit ist durch den Paragrafen 3a des Bundesdatenschutzgesetzes rechtlich verankert. Der Gesetzestext hat im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung verloren. Zu Beginn des Internetzeitalters fielen nur geringe Menge Daten an, die meistens in der Obhut von Behörden lagen, zum Beispiel dem Einwohnermeldeamt. In Zeiten von Big Data hat der Leitgedanke möglichst sparsam mit Daten umzugehen, an Realisierbarkeit eingebüßt. Wenn Sie das Internet nutzen, kommen Sie an einflussreichen Unternehmen der Digitalwirtschaft unmöglich vorbei. Es beginnt bei der Erstellung einer E-Mail-Adresse. Um sich registrieren zu können, müssen Sie den Nutzungsbedingungen der oftmals in den USA ansässigen Firmen zustimmen. Das Internet umspannt den gesamten Globus, über Staatsgrenzen hinweg. Strenger Datenschutz in Deutschland hilft nur bedingt, da die Rechtssprechung im Heimatland des Konzerns ausschlaggebend ist. Daten sind zu einem lukrativen Geschäft geworden, sie haben das Geld als Bezahlungsmittel im Netz ersetzt.

Doch Big Data bietet auch Chancen. Die Möglichkeiten lassen sich anschaulich anhand zweier Unternehmen erläutern.
Amazon revolutionierte den Versandhandel. Das breite Sortiment des Konzerns ist lediglich eine zweitrangige Komponente des Erfolgs. Ausschlaggebend ist die detaillierte Analyse von Kundendaten. Sie ermöglichen maßgeschneiderte Angebote. Während klassische Werbung auf eine vage, möglichst breitgefasste Käufergruppe abzielt, versprechen individuell abgestimmte Warenangebote maximale Effizienz. Ein Geschäftsmodell, von dem zunächst alle Seiten profitieren. Amazon steigert die Umsätze, die Verkäufer erreichen jene Kundschaft, die sie suchen und der Kunde spart Zeit, indem er ausschließlich Produkte angezeigt bekommt, die ihm mit hoher mathematischer Wahrscheinlichkeit gefallen.
Der Komfort hat jedoch einen Preis: die Offenlegung der Persönlichkeit des Individuums.

Facebook hat den Wert personenbezogener Daten früh begriffen. Das Socialnetwork wirbt damit, dem Nutzer gratis zur Verfügung zu stehen. Eine irreführende Behauptung. Jede Information, die der Anwender in das Netzwerk einspeist, wird ausgewertet, um ihm passgenaue Werbung anzuzeigen. Egal ob Profilinformation oder Statusmitteilung, mit jeder Eingabe wird das vom Facebook Algorithmus definierte Persönlichkeitsprofil verfeinert. Daraus resultieren auch Chancen. Wer auf das machtvolle Instrument der Datenanalyse verzichtet, räumt Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil an.
Daten sind als Motor für die Weltwirtschaft ebenso unverzichtbar, wie das Erdöl. Dieser Aspekt wirft folgende Frage auf: Hat sich der Datenschutz in seiner bisherigen Form überlebt?

Die Bundesregierung hat die digitale Agenda medienwirksam inszeniert. Ein Vorhaben, welches ohne eine Novellierung des Datenschutzgesetzes zum Scheitern verurteilt ist. Das Internet wird im Bezug auf die Gesetzgebung behandelt wie jedes andere Thema. Die Globalität findet in dieser Politik keine Berücksichtigung. Offenbar kursiert stets die Annahme Datensparsamkeit sei immer noch eine adäquate Antwort auf die veränderten Gegebenheiten. Eine realitätsferne Ansicht. Wer den Anschluss an die Digitalwirtschaft halten möchte, muss Daten preisgeben, sie den Unternehmen für ihre Analysen überlassen. Darauf basiert das Geschäftskonzept der digitalen Welt.
Wer die Daten der Bürger schützen will, dem bleibt nur der Weg der Aufklärung.
In ihrer heutigen Form ist die digitale Agenda lediglich ein politischer Slogan von geringer Relevanz. Eine global einheitliche Datenpolitik ist eine Utopie.
Wenn Sie Ihre Privatsphäre im Internet wahren möchten, ist die kritische Auseinandersetzung der einzige Weg. Stellen Sie nur Daten zur Verfügung, die für die Bereitstellung der Dienstleistung notwendig sind.

comments powered by Disqus